Alle wollen im Club eine gute Zeit haben. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, damit das besser gelingen kann. In diesem Werkzeugkasten schauen wir uns Rückzugsräume, Hausordnungen oder Poster näher an.
01 Einleitung
Rund zwei Drittel aller Frauen und ein Viertel aller Männer erfahren sexuelle Belästigung in Clubs und Bars (Studie YouGov 2017).
Nicht jede Berührung ist automatisch eine sexuelle Belästigung. Aber gewisse Wortmeldungen, Verhaltensweisen und Handlungen sind Teil einer Kultur, die sexuelle Gewalt ermöglicht. Sexistische Bemerkungen oder Nachpfeifen sind nicht einfach harmlos, sondern sie normalisieren sexuelle Gewalt. K.O.-Tropfen sind generell strafbar, sie sind nur wenige Stunden nachweisbar, hier muss rasch gehandelt werden.
Veranstalter*innen, Betreiber*innen und Künstler*innen haben nun zahlreiche Möglichkeiten, um sexuelle Belästigung und Übergriffe auf ihren Veranstaltungen zu minimieren.
Diese Maßnahmen sind ein Werkzeugkasten. Keine einzelne Maßnahme wird alle Vorfälle unterbinden. Aber je mehr Maßnahmen umgesetzt werden, desto eher wird sich der Umgang mit dem Thema insgesamt ändern.
02 Maßnahmen für Veranstalter*innen, Betreiber*innen und Künstler*innen
02.1. Maßnahmen im Vorfeld
02.1.1 Klare Kommunikation
Im Vorfeld einer Veranstaltung wird kommuniziert, dass Sexismus, Rassismus, sexuelle Belästigung und Gewalt nicht geduldet werden. „No Sexism, No Racism, No Homophobia, No Harassment, No Violence” oder eine ähnliche Formulierung steht in den Beschreibungen der Events auf sozialen Netzwerken, in Newslettern, auf Flyern und in allen Texten, die die Veranstaltung bewerben. Auch beim Ticketkauf wird dies klar kommuniziert.
Weiters wird vorab kommuniziert, welche Frauennachttaxis (s.u.) es gibt. Diese Maßnahmen können vorab steuern, wer sich durch eine Veranstaltung angesprochen fühlt und wer nicht.
02.1.2 Hausordnung
In der Haus- oder Platzordnung wird festgehalten, dass für Sexismus, Rassismus, sexuelle Belästigung und Gewalt keinerlei Platz ist. Eine Platzordnung ist für Veranstaltungen ab 1000 Teilnehmer*innen jedenfalls vorgeschrieben. Dadurch sind Vorfälle nicht per se strafbar. Aber es gibt gewisse Handhaben. Die Person kann von der Location verwiesen werden. Die Personalien können – unter Einwilligung – aufgenommen werden. Eine Unterlassungsklage kann eingereicht werden. Dafür braucht es mindestens eine*n Zeug*in des Vorfalls, die bereit sind, dies vor Gericht zu wiederholen.
Hintergrund zu Unterlassungsklagen: Im Falle einer Wiederholungsgefahr oder einer andauernden aktuellen Gefährdung entsteht dem Grundstückseigentümer ein Unterlassungsanspruch, der durch eine vorbeugende Unterlassungsklage geltend gemacht werden kann. Dem Obersten Gerichtshof (OGH) zufolge liegt bereits im Fortbestehen eines Zustandes, der keine Sicherungen gegen weitere Rechtsverletzungen bietet, eine Wiederholungsgefahr. Außerdem ist Wiederholungsgefahr anzunehmen, wenn der unterlassungspflichtige Beklagte sein Unrecht nicht einsieht.
02.1.3 Rückzugsraum
Ein Rückzugsraum steht zur Verfügung. In diesen Raum werden Menschen gebracht, die Belästigung oder Übergriffe erfahren. Dorthin werden sie nach Möglichkeit durch ein gleichgeschlechtliches Mitglied des Teams begleitet. Dort wird erfragt, was die betroffene Person braucht – etwa Wasser, Ruhe, ein Nachttaxi – oder wie mit der Person umgegangen werden soll, die den Vorfall ausgelöst hat.
Im Rückzugsraum halten sich während der Veranstaltung möglichst keine Menschen auf bzw. nur solche, die arbeiten. Alle im Team sollten wissen, wo dieser Raum ist. Der Raum ist für gewöhnlich versperrt, Barpersonal und Sicherheitspersonal verfügen über einen Schlüssel.
Das Autonome Feministische Kollektiv Autonome der Universität Hannover hat einen Leitfaden veröffentlicht, wie mit Personen in solchen Situationen umgegangen werden sollte.
02.1.4 Künstler*innen-Verträge mit Klauseln
Künstler*innen versehen ihre Verträge, die sie mit Veranstalter*innen abschließen, mit verschiedenen Klauseln. Damit tragen sie einen Teil dazu bei, dass ein Bewusstsein für das Thema entsteht. Andererseits können sie so auch sicherstellen, dass Maßnahmen gesetzt wurden, um sexuelle Übergriffe zu unterbinden.
Veranstalter*innen verpflichten sich dabei etwa zu folgenden Punkten:
- Null Toleranz gegenüber Sexismus, Rassismus, sexuelle Belästigung und Gewalt. Dies wird vor und während der Veranstaltung klar kommuniziert
- Sicherheitspersonal wurde im richtigen Umgang bei sexueller Belästigung geschult
- Barpersonal wurde im richtigen Umgang bei sexueller Belästigung geschult
- Awareness-Konzept
02.1.5 Personal schulen
Das Personal wird jedenfalls sensibilisiert, dass Sexismus, sexuelle Belästigung und Gewalt nicht geduldet werden. Zusätzlich wird geschult, um sexuelle Belästigung sowie die Symptome nach einer Verabreichung von K.O.-Tropfen zu erkennen. Außerdem wird erlernt, wie mit Betroffenen umgegangen werden soll.
In Österreich sind Schulungen für Security-Personal derzeit allerdings nicht verpflichtend. Ein Konsortium unter Leitung der FH Campus Wien arbeitet an einem Curriculum für „Ausbildungs- und Qualitätsstandards für SicherheitsdienstleisterInnen”. Schulungen sind deshalb nicht die Regel. Schulungen müssten von den Arbeitgeber*innen freiwillig bezahlt werden und diese nicht in einigen wenigen Stunden erledigt. Ausnahmen sind etwa das Personal von Event Safety, von Rettungsanker oder von AwA_Stern, das Schulungen erhält. Auch im Rahmen von „Luisa ist hier!” verpflichten sich Locations zu Schulungen. Workshops und Schulungen sind Betreiberinnen selbst, für Veranstalterinnen, Security-Firmen, Selektiererinnen wie auch Klo- und Barpersonal sinnvoll.
02.1.6 Projekt Rettungsanker
Die Frauenabteilung der Stadt Wien hat das Projekt Rettungsanker ins Leben gerufen, um sexuelle Belästigung auf Veranstaltungen und in Clubs zu reduzieren.
Im Rahmen von Rettungsanker ist die Schulung des Sicherheitspersonals verpflichtend wie auch dessen Kennzeichnung mit Rettungsanker-Aufklebern, Informationsflyern, sowie einer Überprüfung der Räume auf ihre Sicherheit.
Kontakt zur MA 57 Frauenservice
02.1.7 Räumliche Aufteilung ändern
Schlechte Beleuchtung, Sackgassen, schmale Durchgänge sind nicht ideal. Hier ist es sinnvoll, die Raumaufteilung auf Angsträume hin zu scannen und im Rahmen der Möglichkeiten zu ändern. Das könnten andere Verkehrswege sein, bessere Beleuchtung und sogar bauliche Veränderungen.
02.1.8 Information beim Ticketverkauf
Besucher*innen bekommen beim Kauf eines Ticket für eine Veranstaltung ein automatisiertes Mail, das klar auf Null Toleranz gegenüber Sexismus, Rassismus, sexuelle Belästigung und Gewalt hinweist. Alle weiteren Maßnahmen, um sexuelle Übergriff zu unterbinden, werden ebenfalls erwähnt.
02.2. Maßnahmen auf der Veranstaltung
02.2.1 Poster
Auf der Veranstaltung wird klar kommuniziert, dass für Sexismus, Rassismus, sexuelle Belästigung und Gewalt keinerlei Platz ist. „No Sexism, No Racism, No Harassment, No Violence” oder eine ähnliche Formulierung steht auf Postern, die wahlweise im Eingangsbereich, im Barbereich, in der Nähe des Dancefloors, auf den Toiletten oder an all den genannten Orten hängen. Flyer und Sticker sind auch eine zusätzliche Option.
Link zu Consent Posters der Sex-Positive Community Europe
Link zu Consent Posters und Flyers von 11th Principle Consent
02.2.2 Genügend Security-Personal
Security-Personal kann nicht nur aktiv werden, wenn ein Konflikt eskaliert. Behutsam Präsenz zeigen, signalisieren, dass man ansprechbar und hilfsbereit ist, schafft eine Atmosphäre, in der Übergriffe seltener passieren oder früher bemerkt werden. Ein genaues Briefing des Personal ist dabei besonders wichtig. Mit genügend Security-Personal kann sichergestellt werden, dass diese Aufgaben besser erfüllt werden.
02.2.3 Awareness Teams
Das Awareness Team wird geschult, ist divers besetzt, klar erkennbar und den ganzen Abend lang nüchtern. Das Team bespricht im Vorfeld einen Leitfaden. Das Team zeigt Präsenz, es geht mehrfach durch die Location, schaut auch vor die Türe und holt sich ggf. Unterstützung. Betroffene Personen bestimmen, ob ein Übergriff stattgefunden hat.
Stark alkoholisierte oder unter Substanzen stehende Personen werden angesprochen, ob sie Hilfe brauchen. Sofern sie andere Gäste beeinträchtigen, sollten sie nach Hause geschickt und ein Taxi gerufen werden. Wenn sie nicht mehr ansprechbar sind, sollte die Rettung gerufen werden.
Das Autonome Feministische Kollektiv Autonome der Universität Hannover hat einen Leitfaden veröffentlicht, wie Awareness-Teams vorgehen sollten.
Awareness-Teams können selbst aufgebaut werden. Deutlich besser ist es, auf professionelle Teams zu bauen. In Wien haben AwA_Stern oder Hausgemacht Awareness-Teams im Einsatz. Erstere bieten sie auch als Service an.
02.2.4 Luisa ist hier / Ask For Angela
Mit „Luisa ist hier!” wird Personen, die Belästigung erfahren, schnell und unkompliziert geholfen. Sobald nach „Luisa“ an der Bar oder bei Security-Personal gefragt wird, wird die Person sofort an einen Rückzugsraum gebracht. Dort wird gefragt, was die betroffene Person braucht, etwa Wasser, Ruhe, ein Nachttaxi, oder wie mit der Person umgegangen werden soll, die den Vorfall ausgelöst hat.
Im Rückzugsraum halten sich während der Veranstaltung möglichst keine Menschen auf bzw. nur solche, die arbeiten. Alle im Team sollten wissen, wo dieser Raum ist. Der Raum ist für gewöhnlich versperrt, Barpersonal und Sicherheitspersonal verfügen über einen Schlüssel.
Das Autonome Feministische Kollektiv Autonome der Universität Hannover hat einen Leitfaden veröffentlicht, wie mit Personen in solchen Situationen umgegangen werden sollte.
Das Konzept zu „Luisa ist hier!” aus dem deutschen Münster hat sich mittlerweile in vielen Städten in Deutschland und Österreich verbreitet. Gegen eine geringe Lizenzgebühr erhalten Locations diverse Informationen zu Schulung des Personals, Visitenkarten und Flyer, Plakate, die sichtbar ausgehängt werden wie auch zur Öffentlichkeitsarbeit.
In England ist „Ask for Angela“ ähnlich gestaltet.
02.2.5 Kostenloses Wasser
Leitungswasser steht einfach und kostenlos zur Verfügung. Der Verschluss von Wasserflaschen wird beim Kauf nicht entfernt.
Das Fabric in London oder das Celeste in Wien haben etwa einen Wasserhahn installiert, bei dem sich Gäste bedienen können. Auch die Wirtschaftskammer Österreich schildert die Vorteile: „Für die überwältigende Mehrheit der Branche bleibt das Glas Wasser trotz allem kostenlos, denn Kundenfreundlichkeit hat auch etwas für sich.”
02.2.6 Frauennachttaxis
Viele Frauen, intersexuelle, nichtbinäre und transgender Personen fühlen sich am Heimweg nicht sicher und bevorzugen für die Heimreise ein Taxi, in dem sie nicht belästigt werden. Anbieter für Frauennachttaxis in Wien sind etwa Taxiplus und Sternenmädchen.
02.3. Maßnahmen nach der Veranstaltung
02.3.1 Vorfälle nachbesprechen
Abende werden im Team nachbesprochen. Dabei wird ein gemeinsames Verständnis geschaffen, wie die Stimmung war, ob es auffällige Personen gab oder sich Muster beobachten ließen. Vorfälle werden ggf. rekonstruiert und Maßnahmen besprochen, was zu tun ist. Es können bspw. Hausverbote ausgesprochen werden, die je nach Schwere von Tagen bis zu mehreren Jahren reichen. Es kann auch nötig sein, die Notrufdienste oder die Polizei zu involvieren.
02.3.2 Zu Vorfällen klar Stellung nehmen
Betreiber*innen, Veranstalter*innen oder Künstler*innen beziehen zu Vorfällen klar Position. Sie schildern, was passiert ist, sie stellen klar, dass für Sexismus, Rassismus, sexuelle Belästigung und Gewalt keinerlei Platz ist. Und sie setzen Maßnahmen, die eine Wiederholungsgefahr möglichst minimieren.
03 Maßnahmen für Besucher*innen und Betroffene
03.1 Aufmerksam sein, Gäste, Security oder Barpersonal involvieren
Es gibt nicht einen besten Weg, mit Übergriffen umzugehen, sondern man sollte so reagieren, wie es sich in dem Moment richtig anfühlt. Das kann konfrontativ sein, indem man eine Person, die sich übergriffig verhält, anspricht und ein klares Nein ausspricht. Es kann sein, dass man sich der Situation entzieht. Oder sich gleich an Security oder Barpersonal zu wenden.
Teil von Zivilcourage ist es auch, bei Vorfällen, die man selbst beobachtet, nicht wegzusehen, sondern beispielsweise dazwischen zu gehen. Überlegt aber immer, ob ihr euch damit selbst wohlfühlt oder ob ihr lieber Personal in die Situation holt, das eventuell damit besser umgehen kann.
03.2 Handzeichen
In kleinen Freund*innengruppen können Handzeichen vereinbart werden, um untereinander zu kommunizieren, ob eine Person aufdringlich ist. Ein Beispiel wäre dieser Post, der auf X veröffentlicht wurde. Das System sollte möglichst einfach sein.
03.3 Notrufnummern, Hotlines, Beratung
Bei sexueller Gewalt sind Freund*innen und Arbeitskolleg*innen nicht immer die richtigen Ansprechpersonen. Professionelle Unterstützung weiß, wie mit Betroffenen richtig umzugehen ist, etwa nicht das Gefühl zu vermitteln, man könnte Mitschuld an einem Übergriff tragen. In Wien gibt es zahlreiche Notrufnummern, Hotlines und Beratungsangebote:
24-Stunden Frauennotruf 01 71 71 9: Telefonische Beratung in Deutsch, Bosnisch/ Kroatisch/ Serbisch, Englisch, Farsi, Polnisch und Spanisch, Hilfe für Frauen und Mädchen bei Gewalt, kostenlos, vertraulich und auf Wunsch anonym. Das Team besteht aus Klinischen und Gesundheitspsychologinnen, Sozialarbeiterinnen und Juristinnen. Der Zugang zur Beratungsstelle und den Räumen ist barrierefrei
Anwältin für Gleichbehandlungsfragen: Gleichbehandlung, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Beratungsstelle für sexuell missbrauchte Mädchen und junge Frauen: Sexuelle Gewalt an Mädchen, Buben und Jugendlichen
Frauenhäuser Wien 01 05 77 22: Notruf, Beratung, Unterkunft
Frauen- und Mädchenberatung 01 587 67 50: Frauen beraten Frauen
Lila Tipp - Lesben- und Trans*Bestärkung: Beratung, und Bestärkung von Lesben und Trans*Personen für Lesben und Trans*Personen
Männerberatung Wien 01 603 28 28: Beratung, Therapie, Opferschutz, Prävention
Wiener Netzwerk gegen sexuelle Gewalt an Mädchen, Buben und Jugendlichen 01 587 10 89
03 Politische Maßnahmen
04.1 Ausbildung für Securities
In Österreich sind Schulungen für Security-Personal derzeit nicht verpflichtend. Ein Konsortium unter Leitung der FH Campus Wien arbeitet an einem Curriculum für „Ausbildungs- und Qualitätsstandards für Sicherheitsdienstleister*innen“. Schulungen sind deshalb nicht die Regel. Schulungen müssten von Arbeitgeber*innen freiwillig bezahlt werden und diese sind oft zeitaufwendig.
Ausnahmen sind etwa das Personal von Event Safety, von Rettungsanker oder von AwA_Stern, das Schulungen erhält. Auch im Rahmen von „Luisa ist hier!“ verpflichten sich Locations zu Schulungen.
04.2 Förder-Konditionen anpassen
Förderungen von Bund und Ländern sind an Konditionen und Mindeststandards gebunden. So waren bei der Clubkulturförderung etwa keine doppelten Förderungen desselben Unternehmens möglich. Zudem waren Diversität und Nachhaltigkeit Kriterien, die zur Beurteilung eines Förderantrags herangezogen wurden. Maßnahmen zu Awareness können auch hier Eingang finden.