Das VCC Gutachten von ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Harald Huber zur potenziellen Wesensveränderung von Clubs und Musikspielstätten im
sub- und popkulturellen Live- und DJ-Musikbereich durch behördliche Auflagen
Immer wieder sehen sich Clubbetreiber:innen und Veranstalter:innen mit behördlichen Beschränkungen zum Thema Musiklautstärke konfrontiert. Was braucht es in Wien, um diesen Herausforderungen zu begegnen? Eine erste Antwort darauf gibt der VCC Fachwissen Beitrag Richtiger Umgang mit Anrainer:innen.
Am 20.06.2024 präsentierte ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Harald Huber das VCC Gutachten zum Thema Wesensveränderung von Clubs und Musikspielstätten durch behördliche Auflagen im Zuge des VCC Podiumsgesprächs Sound versus Kontrolle. Die gesamte Podiumsdiskussion könnt ihr hier nachhören.
Problemstellung
Das Gutachten befasst sich mit der zentralen Ausgangsfrage, ob und wie behördliche Auflagen (wie z. B. die Beschränkung der Lautstärke im Publikumsbereich oder das Verbot bestimmter lauter Instrumente und die zeitliche Begrenzung des Musikprogramms) den sub- und popkulturellen Live- und DJ-Musikbereich beeinflussen und verändern können. Zudem befasst sich das Gutachten damit wie die Möglichkeiten musikalischer Performances einerseits und die Hörkultur, Musikrezeption, den
Darbietungscharakter des Musikangebots sowie die soziale und kulturelle Relevanz von Clubs und Musikspielstätten andererseits beeinflussen.
Wir dürfen euch hier einen kleinen Ausschnitt der relevantesten Erkenntnisse des Gutachtens aufzeigen:
Das Grundrecht auf Kunstfreiheit
Artikel 17a des Österreichischen Staatsgrundgesetzes lautet: „Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei.“ Zudem hat Österreich die Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen der UNESCO ratifiziert, welche den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die Möglichkeit zur Teilhabe aller Menschen an einer Vielfalt kultureller Ausdrucksformen sicherstellen soll. Das Gutachten kommt zu der Erkenntnis, dass jegliche behördliche Verbote bestimmter Musikinstrumente in Clubs oder Musikspielstätten nicht mit diesen Bestimmungen in Einklang zu bringen sind.
Limitierung von Musikanlagen
Um Außenstehende von Schallemissionen zu schützen, wird der Einsatz von Musikanlagen (auf Grundlage eines durch das Umweltbundesamt ausgearbeiteten Leitfaden aus dem Jahr 2000) zur Begrenzung von Musikemissionen im Gastgewerbe häufig beschränkt. Hierbei wird außer Acht gelassen, dass Musik als Kunstform ein spezieller Fall ist.
„Sowohl Musikschaffende, als auch deren interessiertes Publikum sind daher an Einschränkungen einzelner Parameter nicht interessiert, weil sie dem Wesen der Musik widersprechen.“
ao. Univ.- Prof. Mag. Dr. Harald Huber, Gutachten, S. 5
Soziale und kulturelle Relevanz – „Wesen“ von Clubs und Musikspielstätten
Clubs und Musikspielstätten sind ein wichtiger sozialer und kultureller Dreh- und Angelpunkt, sei es als Treffpunkt mit Freund:innen, zum Austausch, Konsum und dergleichen. Es wird Identität und ein Zugehörigkeitsgefühl geschaffen und Clubs können eine positive Alternative zu problematischen Familien- und Arbeitssituationen schaffen.
Eingriffe in Betriebsgenehmigungen
Wien weist ein vielfältiges Repertoire an unterschiedlichsten Musikgenres auf und stellt als Kunst- und Kulturstadt einen Magnet für Tourist:innen dar.
„Nachträgliche Eingriffe in Betriebsgenehmigungen haben das Potenzial nicht
ao. Univ.- Prof. Mag. Dr. Harald Huber, Gutachten, S. 15
nur den jeweiligen Kulturbetrieb, sondern eine musikkulturelle Szene insgesamt zu schädigen.“
Conclusio
Zusammenfassend hält das Gutachten fest, dass behördliche Auflagen im genannten Musikbereich die Möglichkeiten musikalischer Performances, die genretypischen Formen der Musikrezeption und die soziokulturelle Relevanz von Clubs und Musikstätten entscheidend beeinflussen und verändern können.
Aus musikwissenschaftlicher Sicht sei jede behördliche Auflage, die in die Struktur der Musik und/oder in den Lautstärkepegel innerhalb der Musikspielstätte eingreift, als deren Wesensveränderung anzusehen.
Wesentlich sei außerdem, dass sich etwaige aus einer Überschreitung abgeleitete Auflagen nicht wesensverändernd auf die dargebotene Musik und die Lautstärkeverhältnisse im Lokal beziehen sollen. Jedenfalls zu beachten seien gesetzliche Bestimmungen (Artikel 17 StGG - Freiheit der Kunst), internationale Vereinbarungen (UNESCO Konvention 2005) und politische Willenskundgebungen (Wiener Kulturstrategie 2005), welche eindeutig für den Schutz und die Förderung der kulturellen Vielfalt stehen. Es soll auf die Notwendigkeit der Behebung eventueller baulicher Mängel hingewiesen werden und der lokalbetreibenden Person Gelegenheit zur Ausarbeitung eines Sanierungsplans gegeben werden.