Was hat Lärm mit Aschenbechern und Regenschirmen zu tun? Ein Interview mit zwei Wiener Expertinnen zum Thema Betriebsanlagen gibt Aufschluss darüber, wie Behörden arbeiten und denken.
Wie laut ein Club sein darf, wie lange offen, oder wie voll – das regelt die Betriebsanlagengenehmigung. Dafür zuständig ist das magistratische Bezirksamt. Wie diese funktioniert, welche Genehmigungen man dort bekommt, wann es zu Strafen kommen könnte, darüber sollten alle Betreiber*innen Bescheid wissen.
Tobias Kovar hat sich deshalb mit der Leiterin des Magistratischen Bezirksamts 1/8 Dr. Eva Schantl-Wurz und der Stellvertreterin der Leiterin des Betriebsanlagen-Service des MBA Mag. Lena Steiger über Lärm, Regenschirme und Zwischenmenschliches unterhalten.
Was gilt es zu beachten, wenn man einen neuen Club gründet?
Eva Schantl-Wurz: Alle, die einen neuen Club gründen, sollten gut überlegen, ob die Gegend passt und ob die bauliche Substanz des Gebäudes geeignet ist.
Wie kann ich das beurteilen?
Lena Steiger: Die bauliche Substanz und die Lage sind ganz wichtig. Haben Sie Nachbarn direkt darüber, die den Bass hören könnten?
Eva Schantl-Wurz: Wenn Sie das neben einer lauten Straße machen, wird vermutlich mehr gehen, als in einer kleinen Wohnstraße. Die Wiener Lärmkarte ist öffentlich und kann auch bei einer ersten Einschätzung helfen.
Lena Steiger: Es gibt außerdem immer die Möglichkeit sich an die Wirtschaftskammer zu wenden, nämlich an das Betriebsanlagenservice und das Gründerservice. Die können mit Ihnen recht unspektakulär hingehen und sich das ansehen. Dann haben Sie schon eine erste Idee: soll ich dieses Lokal anmieten?
Wann sollte man einen Termin beim Projektsprechtag beim Magistratischen Bezirksamt vereinbaren?
Lena Steiger: Es macht auf jeden Fall schon ganz früh in der Planungsphase Sinn, sobald man grobe Vorstellungen hat.
Eva Schantl-Wurz: Beim Projektsprechtag sitzen alle an einem Tisch. Juristen*innen vom Bezirksamt, das Arbeitsinspektorat, die technischen Sachverständigen, die Wirtschaftskammer und sogar die Wirtschaftsagentur, die manchmal auch passende Förderungen anbieten kann.
Lena Steiger: Jedes Projekt muss individuell eingeschätzt werden, um in die richtige Richtung loszulaufen. Kümmern Sie sich bitte um alles, bevor Sie umbauen. Im Nachhinein geht vieles nicht mehr. Da geht es oft um sehr viel Geld. Man sollte sich wirklich möglichst früh bei uns melden, das ist nie ein Nachteil.
Wie wird entschieden, wie laut es in einem Lokal sein darf?
Lena Steiger: Das ist eine Einschätzung des Betreibers und dann folgt eine individuelle Beurteilung durch einen schalltechnischen Sachverständigen. Wenn es zu laut ist, gibt es die Gelegenheit, die Lautstärke im Projekt zu reduzieren.
Man muss also selbst ein Schallgutachten erstellen lassen?
Lena Steiger: Mit einem Gutachten geht es sicher schneller. Schalltechnik ist ein sehr komplexes Gebiet und oft sind in den Anträgen nicht die Werte drinnen, die der schalltechnische Sachverständige braucht. Für die Beurteilung sind unter anderem Emissionswerte relevant, was also von der Betriebsanlage hinausgeht und wo die nächsten Nachbarn sind. Dazu gibt es noch schalltechnische Grundsätze wie die ÖAL Richtlinie 3. Stellt der schalltechnische Sachverständige fest, dass die darin festgeschriebenen Grenzwerte nicht eingehalten werden, müssen zur Beurteilung tendenziell Mediziner*innen hinzugezogen werden.
Was gilt es zu beachten, sobald die Betriebsanlage genehmigt wurde?
Eva Schantl-Wurz: Es ist gut, eine Mappe zu haben, in der alle Unterlagen sind, und die auch regelmäßig durchzugehen: Was steht in meiner Genehmigung, habe ich meine aktuellen Befunde? Mit der Genehmigung hat man es schwarz auf weiß. Wenn man sich daran hält, ist man auf der sicheren Seite.
Lena Steiger: Wichtig ist, sich alle Bescheide zu besorgen, sie zu kennen und auch regelmäßig zu überprüfen. Alle Geräte und Anlagen müssen gewartet werden. Wenn etwas kaputt ist, führt das häufig zu Beschwerden.
Kann es trotz gültiger Bescheide zu Beschwerden kommen?
Eva Schantl-Wurz: Mit der Genehmigung werden auch die Nachbarrechte geprüft. Es wird beurteilt, ob Belästigungen zu erwarten sind. Denn Anrainer*innen haben das Recht, nicht unzumutbar belästigt zu werden. Natürlich kann es trotzdem sein, dass sich jemand gestört fühlt. Dann muss man sich das ansehen. Jede Beschwerde wird objektiviert. Nur zu sagen „das möchte ich nicht”, reicht nicht. Es wird immer ein Sachverständigen-Gutachten in Auftrag gegeben. Wir prüfen immer unabhängig und objektiv. Je nachdem muss man dann schauen, was ist noch zu tun, damit das dort passt.
Wer ist verantwortlich, wenn sich externe Veranstalter*innen in einen Club einmieten?
Lena Steiger: Dieses Thema haben wir sehr oft. Die Rechte und Pflichten der Betriebsanlagengenehmigung gelten auch, wenn fremde DJs oder Veranstalter*innen eingemietet sind. Wenn diese etwa eigene Technik mitbringen, kann es sein, dass das mit den Auflagen nicht mehr funktioniert. Lokalbetreiber*innen können dann nicht sagen „ich war das nicht, die DJs oder die Bands haben das mitgebracht“. Tendenziell sind das Lärmprobleme die wir haben. Oft fehlt das Bewusstsein, dass in dem Moment, in dem etwas in einem Betrieb passiert, vor allem auch die Betreiber*innen verantwortlich sind, und nicht nur Bands oder DJs, die da spielen.
Wie sieht es im Bereich vor einem Lokal aus? Kann es Auflagen geben?
Lena Steiger: Für einen Schanigarten gibt es natürlich Grenzwerte. Wie viele Personen sich dort aufhalten können, wie lange, ob und wie laut man dort Musik spielen darf, und so weiter. Manche Auflagen betreffen im weiteren Sinne den Raum vor einer Betriebsanlage. Dinge wie: sie müssen Ihre Türen oder Fenster geschlossen halten. Das ist ein Klassiker.
Eva Schantl-Wurz: Man darf die Betriebsanlage auch nicht ohne Genehmigung erweitern, indem Gäste mit Gläsern oder Bechern vor die Türe gelassen werden oder einfach Stehtische ohne Genehmigung vor die Türe stellen. Wenn sich dann Gäste dort aufhalten und laut unterhalten, wird das den Lokalbetreiber*innen zugerechnet.
Wovon hängt ab, ob Gäste einem Lokal zugerechnet werden?
Lena Steiger: Das muss im Einzelfall beurteilt werden. Es stellt sich immer die Frage, welche Infrastruktur die Betreiber*innen bieten. Wenn Lokalbetreiber*innen ihren Gästen einen Regenschirm und eine Decke zum Rauchen mitgeben, damit sie nicht frieren, ist das zwar nett, aber damit ist das Gästeverhalten dem Betreiber jedenfalls zurechenbar. Als Gastronom*in ist es klug, sich dabei zurückzunehmen.
Sollen die Gäste ihr Zigarettenstummel auf den Gehsteig schmeißen?
Lena Steiger: Aschenbecher sind natürlich ein Thema, auch im Sinne der Reinhalteverordnung. Man will natürlich nicht, dass die Leute etwas auf den Gehsteig schmeißen. Das gehört einfach zu einem friedlichen Zusammenleben in der Stadt, dass alle auf Ruhe und Sauberkeit achten.
Tragen Betreiber*innen die volle Verantwortung für ihre Gäste?
Eva Schantl-Wurz: Gäste haben auch eine Verantwortung. Auch sie können sich strafbar machen. Bei Lärmerregung im öffentlichen Raum kann die Polizei tätig werden.
Lena Steiger: Menschentrauben am Gehsteig, dafür ist ein Gehsteig nicht da. Als verkehrsfremde Nutzung ist dann auch die StVO (Straßenverkehrsordnung) ein Thema.
Eva Schantl-Wurz: Das klingt komplizierter, als es tatsächlich ist, denn es gibt ganz viele, bei denen es anstandslos funktioniert.
Gibt es eine Uhrzeit, zu der sich Beschwerden besonders häufen?
Eva Schantl-Wurz: Generell die Nachtzeit. Aufgeweckt zu werden wird als besonders störend empfunden. Das passiert typischerweise zwischen 22:00 und 06:00 Uhr.
Lena Steiger: Beim Einschlafen werden Gäste und Musik eher wahrgenommen. Das sind halt auch heikle Zeiten. Deshalb ist die Nacht für uns am strengsten zu beurteilen.
Haben Sperrstunden einen Einfluss auf die Lärmbeschwerden?
Eva Schantl-Wurz: Die haben schon einen Einfluss.
Lena Steiger: Ich würde behaupten, die Stunden von Mitternacht bis vier sind noch sensibler als von vier bis sechs. Da beginnt der Berufsverkehr wieder, die Leute stehen langsam auf. Das wird erfahrungsgemäß auch schalltechnisch so beurteilt.
Ist es schwierig die Sperrstunde um 6 Uhr zu bekommen?
Eva Schantl-Wurz: Man sollte mit den Anrainer*innen möglichst früh, gut und wertschätzend kommunizieren. Wenn das Verhältnis einmal schlecht ist, sind auch eher Einwendungen von Nachbar*innen gegen längere Betriebszeiten zu erwarten.
Was raten Sie den Betreiber*Innen im Umgang mit Anrainer*innen?
Lena Steiger: Das Zauberwort ist Kommunikation. Man sollte Nachbar*innen frühzeitig über ein Vorhaben informieren. Wir binden die Anrainer*innen immer in das Genehmigungsverfahren ein. Die sind dann oft überrascht, wenn sie erst über die Behörden von einem Projekt erfahren. Das ist dann eine ganz andere Grundstimmung, als wenn das zuvor schon einmal persönlich angesprochen wurde. Es hilft auch Telefonnummern im Haus aufzuhängen mit dem Hinweis: „wenn es ein Problem gibt, melden Sie sich bitte bei uns. Wir sind für Sie da.“
Eva Schantl-Wurz: Wenn die Anrainer*innen Probleme mit dem Betrieb haben, dann rufen sie uns an oder die Polizei. Deswegen ist es so wichtig, dass auch die Nachbar*innen eine gute Gesprächsbasis mit rücksichtsvollen Club-Betreiber*innen haben. Manche Dinge müssen rechtlich ausjudiziert werden, manches kann aber auch zwischenmenschlich gelöst werden. Wir selbst finden immer jemanden, mit dem wir reden können. Wenn eine Beschwerde reinkommt, verständigen wir zumeist als erste Maßnahme die Betreiber*innen, und sagen „sie wissen aber eh, …“ und wenn darauf reagiert wird, ist das schon wunderbar.
Zum Magistratischen Bezirksamt
Die Betriebsanlagensprechtage in den Bezirksämtern finden einmal im Monat, jeweils Donnerstag von 8:00 bis 13:00 statt. Die Termine für deinen Bezirk findest du auf der Webseite der Stadt Wien. Eine Anmeldung ist erforderlich. Die Magistratischen Bezirksämter sind zuständig für alle rechtliche Betriebsanlagenfragen und auch gerne telefonisch und für Einzelberatungen erreichbar.
Zum Autor
Tobias Kovar ist Clubarbeiter. Für die Vienna Club Commission beschäftigt er sich vor allem mit den Themen Veranstaltungsrecht und Betriebsanlagen.