Das rrr am Yppenplatz weiß heute, wie sich Nachbarn besänftigen lassen und wie Schallschutz funktioniert. Ein Interview über Dos und Don'ts.
Das rrr - oder Bar to Reinforce Electrical Colors. - ist einer der jüngsten Clubs in Wien, in den Räumen des früheren AU. Bei der Eröffnung wurde auf jegliches Tam Tam verzichtet. Trotzdem war das rrr auch wegen seiner PA Anlage nach kürzester Zeit in aller Munde. Nur vier Monaten nach Eröffnung musste der Club pandemiebedingt wieder schließen.
Tobias Kovar im Interview mit Marcos Rondon von der Bar to Reinforce Electrical Colors. über Probleme, die sich bei einer Clubübernahme ergeben können.
Ihr seid einer der jüngsten Clubs in Wien. Wie kam es dazu, dass ihr das rrr gegründet habt?
Marcos Rondon: Wir nennen das rrr nicht gerne Club. Für uns ist es eher ein Space für neue Strömungen elektronischer Musik. Große Clubs gibt es hier eh genug. Ich habe viele Jahre als Sounddesigner und Komponist im Theater gearbeitet. Da habe ich gelernt, wie wichtig gute Tontechnik ist, und dass es wenige Orte gibt, in denen das in Wien gut funktioniert.
Der Sound soll die Visitenkarte des Lokals sein. Wir wollten einen Raum schaffen, in dem die Künstler*innen und Musiker*innen damit happy sind und gerne spielen. Ein kleiner Raum, mit einer professionellen international herzeigenden Infrastruktur, in dem etablierte Künstler*innen, wie auch die neue Generation ein Zuhause finden kann. Das fehlte in Wien. Vor uns war hier ja auch schon das AU und noch davor das Melon drinnen. Als das Lokal leer stand, haben meine Partnerin Veronika Zott und ich dann beschlossen, es zu übernehmen.
Hattet ihr Erfahrung als Gastronom*innen?
Nein, wir haben beide Kunst studiert. Veronika in London und ich in Madrid. Wir sehen uns noch immer nicht als Gastronomen.
Habt ihr euch beraten lassen, bevor ihr das Lokal übernommen habt?
Ja natürlich, von der WKO, da sah alles in Ordnung aus. Die Beratung der WKO betraf eher die Betriebsanlagengenehmigung: Sieht die gut aus? Kann ich damit gleich zu arbeiten beginnen? Aber nach der Übernahme begannen die ersten Probleme.
Ich habe für den Betrieb eine Kommanditgesellschaft gegründet. Zunächst hieß es, dass der Mastertitel als Befähigungsnachweis reichen würde, um das Lokal zu führen. Beim Amt sagte man uns, wir müssten unsere Titel nur vom Bund verifizieren lassen. Auch die WKO meinte, wir könnten sofort zu arbeiten beginnen. Beim Bildungsministerium erfuhren wir, dass der Abschluss eines Kunststudiums aus einem anderen Land bei uns keinen Wert hat. Jetzt springen wir von einem externen Geschäftsführer zum anderen. Mit der KG hätte ich ursprünglich nach zwei Jahren automatisch die Befähigung bekommen können. Mit der Pandemie hat sich das auf drei Jahre verlängert. Der Geschäftsführer kostet uns weit über tausend Euro im Monat, obwohl er nicht mal im Lokal ist. Zumindest kann ich selbst hier arbeiten, ohne angestellt zu sein, weil die KG mir gehört.
Was habt ihr adaptiert, bevor ihr aufgesperrt habt?
Wir haben bald entdeckt, dass sich alles in einem sehr schlechten Zustand befand. Die Gasleitungen waren kaputt, auch die Wasser- und Teile der Stromleitungen mussten ausgewechselt werden. Die Infrastruktur der Bar war ein Desaster, das musste alles raus. Wir wollten den Veranstaltungsraum umbauen, haben ihn komplett ausgeräumt, Teile der Elektrik erneuert, zudem Bassabsorber, ein schweres DJ-Pult aus Beton und eine neue Anlage eingebaut. Wir wollten auch die Lüftungsanlage neu machen, aber davon haben uns alle abgeraten. Auch die WKO. Man sagte uns, nur ja die Betriebsanlage nicht anfassen. Wir haben schließlich Mitte November 2019 aufgemacht und hatten eigentlich nur dreieinhalb Monate offen, bevor die Pandemie begann.
Kannst du über eure Anlage sprechen? Die ist ja so etwas wie das Herzstück des Lokals.
Wir haben uns zum Beginn der Planung mit ein paar befreundeten Techniker*innen zusammengesetzt und sind bald zu dem Schluss gekommen: Bei der Größe des Raums brauchen wir eigentlich nur zwei richtig gute Lautsprecher. Dann haben wir begonnen zu recherchieren. Recht bald sind wir dann auf Void gekommen. Sie waren ziemlich cool, haben gemeint, schickt uns Fotos. Damit haben sie alles virtuell vermessen. Ich hatte auch schon zuvor mit einem Techniker ein 3D-Modell des Raums erstellt, das wir ihnen geschickt haben. Mittels einer speziellen Software, konnten die alle möglichen Szenarien simulieren, unterschiedliche Positionen der Lautsprecher, mit und ohne Publikum usw.
Beratung und Planung erfolgten übers Internet. Wir haben zwischen sechs Anlagen abgewogen.
Die Lautsprecher, für die wir uns entschieden haben, sind eigentlich als große Monitorboxen gedacht. Aber für einen Raum dieser Größe sind sie perfekt.
Was war euch bei der Wahl der Lautsprecher am wichtigsten?
Da wir uns in einem Wohngebiet befinden, war uns wichtig, dass die Lautsprecher auch gut klingen, wenn man sie nicht zu laut aufdreht. Du sollst tanzen, dich mit Leuten unterhalten und trotzdem das volle Frequenzspektrum genießen können. Die Lautsprecher können auch gar nicht wahnsinnig laut spielen, aber das müssen sie auch nicht. Sie hören sich trotzdem so an. Im Prinzip sind das fast HiFi-Boxen. Wir wussten wie gut Void Boxen klingen. Ich war auch in den letzten Jahren viel in Asien. In Tokyo siehst du die in den guten Läden überall.
Wer hat euch die Anlage eingestellt?
Wir haben die Anlage installiert. Dann kamen Techniker*innen von Void um sie einzumessen. Wir haben trotzdem ein Monat lang am Lautsprechermanagement justiert, bis für uns wirklich alles gepasst hat. Der Sound war gefühlt laut, kompakt, aber in der Bar hat man ihn kaum mehr gehört.
Am Anfang gab es hin und wieder Lärmbeschwerden. - Marcos Rondon (rrr)
Die Anrainer*innen haben also nichts gehört?
Am Anfang gab es hin und wieder Lärmbeschwerden. Später sind wir drauf gekommen, dass sich hinter den Rigips-Wänden, wo wir Schalldämmung vermutet hatten, tatsächlich fünf komplett offene Fenster befanden. Da war nicht mal Glas drinnen. Wir dachten, die Wände wären entkoppelt. Bei der Übernahme wurde uns versichert, es wäre alles isoliert und so weiter. Auch unterm Dach waren riesige Löcher, die einfach mit Rigips kaschiert wurden. Auch da konnte der Schall offenbar recht ungehindert raus.
Wie habt ihr das herausgefunden?
Es war Glück im Unglück. Zum ersten Mal waren wir ja mit euch [der Vienna Club Commission, Anmerkung] im Winter 2019 im Dachstuhl und haben gemerkt, dass da viel Sound rauskommt. Während des Lockdowns haben wir zudem ein Loch im Dach entdeckt und später, dass der ganze Dachstuhl kaputt ist. Der Statiker meinte, dass einige tragende Balken schon vor Jahren gebrochenen sind und das Dach hätte einstürzen können. Das wäre eine Katastrophe gewesen. Dem folgte ein zweimonatiger Kampf mit der Hausverwaltung. Die wollten das nicht zahlen, von uns aber trotz Pandemie die Miete. Mithilfe eines Anwalts, den ihr uns empfohlen habt, haben wir das zum Glück jetzt aber einvernehmlich gelöst. Die Arbeiten am neuen Dach schreiten schnell voran. Anfang oder Mitte September bekommen wir den Raum hoffentlich wieder übergeben. Im Rahmen der Arbeiten haben wir auch die Wandverkleidung runtergenommen und gesehen, da war auch alles kaputt.
Wo setzt ihr jetzt mit dem Schallschutz an?
Wenn die Baustelle fertig ist, werden wir zunächst den Plafond machen. Wir haben ein Doppeldach. Davor war das mit allem möglichen Trash gefüllt. Sogar Erde. Fünfzig Säcke Müll mussten wir von da oben entfernen. Diesen Raum füllen wir mit einem speziellen schallabsorbierendem Material der Firma Basotect. Das war auch die Empfehlung von Void. Im Hohlraum des Daches würden sich sonst die Frequenzen fangen. Deswegen brauchen wir dort Absorber. Die sehen aus wie kleine Pyramiden, werden als Matte geliefert, dann auseinander gebrochen und liegen dann gepresst da oben drinnen. Auf die Fläche kommen ein paar tausend Liter des Materials. Durch die Form fängt sich der Schall. Das Ziel ist, dass der Sound drinnen bleibt. An die Wände, in die hinteren und vorderen Ecken kommen auch noch Bassabsorber.
Habt ihr beim Schallschutz weitere Hilfe in Anspruch genommen?
Die Pläne haben wir gemeinsam mit zwei befreundeten Techniker*innen und dem Statiker gemacht. Die Pandemie haben wir genutzt, um uns Zeit zu nehmen, in und um den Raum noch einmal ausführlich zu messen. Mittlerweile kennen wir den Raum daher sehr gut und wissen, wo die Probleme sind. Am Anfang wussten wir das nicht. Da waren wir sicher naiv. Wir sind ja keine Gastronomen, da war alles einfach „too much“.
Plötzlich fühlt man sich als Chef eines Lokals manchmal wie im Kindergarten. - Marcos Rondon (rrr)
Wie läuft das Zusammenleben mit den Anrainer*innen?
Zwei Wochen, nachdem wir aufgesperrt haben, kam das Rauchverbot. Das finden wir eigentlich cool. Aber natürlich gingen alle Leute ständig vor die Tür zum rauchen. Und plötzlich fühlt man sich als Chef eines Lokals manchmal wie im Kindergarten, weil man ständig aufpassen muss. Denn sobald die Polizei kommt, ist es die Schuld der Betreiber*innen. Zum Glück haben wir ein gutes Verhältnis mit der Polizei, die auch versteht, dass es schwierig ist. Es bringt auch nichts, die Leute von der Tür wegzuschicken. Dann gehen sie ein paar Meter und du schiebst das Problem zu den Nachbar*innen. Dann fühlen sich die Leute in den Nachbargebäuden auch gestört.
Wir sind ein kleines Lokal. Wir haben nicht die Ressourcen für jeden Abend einen Türsteher anzustellen. Das kostet alles Geld. Einmal hat mir ein Nachbar sogar ins Gesicht gespuckt. Da ist es schwierig cool zu bleiben. Das war früher schlimmer.
Die Gäste wissen mittlerweile, dass sie vor der Türe nicht laut sein dürfen. Es funktioniert schon, mit ihnen zu reden. Natürlich gibt es immer ein paar, die nur zum saufen kommen, das ist normal, da muss man manchmal sagen „ciao, too much”. Aber achtzig Prozent der Gäste verstehen das, die sind cool, die kommen wegen der Musik.
Woher kamen die Probleme mit den Anrainer*innen?
Aus umliegenden Häusern, aber auch mit den Nachbarn im eigenen Haus war es anfangs schwierig. Mit Letzteren ist das Klima mittlerweile fantastisch. Der Innenhof gehört auch zum Lokal. Als wir ihn übernommen haben, war das eine Müllhalde. Wir haben ihn hergerichtet, mittlerweile ist er ein Treffpunkt fürs ganze Haus. Die Kinder spielen dort, es wird gegrillt. Alle haben meine Telefonnummer. Selbst wenn es Probleme im Haus gibt, die uns gar nicht betreffen, rufen sie mich an. Ich bin da. Es hat sich eine richtige Community gebildet.
Zur Person
rrr is a space to reinforce Electronic Music in Vienna together with international and local artists.
Zum Autor
Tobias Kovar ist Clubarbeiter. Für die Vienna Club Commission beschäftigt er sich vor allem mit den Themen Veranstaltungsrecht und Betriebsanlagen.